Alben für die Ohren
von Corinna EndlichKultur und Leben

„Du hörst, was Du bist!“ So wirbt ein Streamingdienst für Hörbücher, Podcasts und Hörspiele. Was bin ich eigentlich, frage ich mich, wenn ich die Werbung sehe. Seit Jahren schleppe ich meine Plattensammlung mit mir von Wohnort zu Wohnort und erstehe sogar heute noch auf Flohmärkten so ausgewählte Singles wie Yes Sir, I can boogie von Baccara. Bin ich dadurch old school oder uncool oder unmodern?
Klar finde ich solche Plattformen auch irgendwie gut. Sie bieten eine enorme Auswahl und das ‚kurz-mal-Reinhören' ist so viel einfacher als gleich ein Album zu kaufen. Das Streamen lädt zum Stöbern ein, macht es für mich zugleich aber etwas beliebig. Vielleicht, weil das haptische Vergnügen fehlt, durch die eigenen Musikträger zu blättern.
Bei der Einführung der CD habe ich ebenfalls zusätzlich auch auf diese kleinen Scheiben gesetzt und eine ganz ordentliche Sammlung an Bands und Künstlern:innen zusammengetragen. Es ist eben doch eine ganz besondere Freude, mit der ich ein Plattenalbum wie U2s rattle & hum oder den Soundtrack der Rocky Horror Picture Show (R: Jim Sharman) am Wochenende für das bewusste Musikhören als Vinyl auflege.
Zum Besonderen des ‚Plattenauflegens' gehört vermutlich auch die Musik selbst, denn einen Großteil dieser kostbaren Vinyl-Exemplare habe ich natürlich vor vielen Jahren erworben. Die Alben sind mit vielen Erinnerungen verbunden – die Liebe zur Schallplatte ist ein Mix der Emotionen.
In den letzten Jahren ist es sogar vorgekommen, dass ich den einen oder anderen Klassiker, den ich schon auf Vinyl besitze, auf CD nachgekauft habe; nicht als Ersatz, sondern als die vermeintlich nutzerfreundlichere Variante dazu (eines ist ja klar: das Aufstehen zum Umdrehen der Platte ist nicht wirklich komfortabel …). Die CD ist allein schon für lange Autofahrten viel praktikabler.
Mit großem Interesse verfolge ich ‚best-of-Rankings': Listen mit Alben, die in jede gut sortierte Plattensammlung gehören. Manchen Profikommentaren kann ich mich dann vollends anschließen, wenn zum Beispiel Fleetwood Mac's Rumors mit dabei ist oder der Boléro von Ravel … nur bei Schlager bin ich raus.
Aber Nostalgie und Leidenschaften haben natürlich auch immer Schattenseiten: Manche/r Liebhaber:in hat sich ganz sicher bei einem nahenden Umzug schon gefragt, ob die Zeit für den Abschied von der Schallplattensammlung nicht doch langsam gekommen ist. Spätestens wenn mich eine solche Überlegung überkommt, ist das für mich der Moment, um eines der Lieblingsalben aus dem Regal zu ziehen und die Nadel behutsam auf die Vinylscheibe zu setzen. Und dann ist es mir auch egal, ob Let's dance von Bowie oder Purple Rain von Prince aus dem Lautsprecher durch die Wohnung schallt: Hauptsache laut und klangvoll.
Macht mich meine Plattensammlung nun unmodern und old school? Ich glaube, nein. Ich bin jemand, die Musik in ihrem Leben mag, oft verbunden mit persönlichen Erinnerungen, aber auch mit der Lust, Neues zu entdecken. Und dabei setze ich ganz bewusst auch auf die Tonträger, die mir das größte Erlebnis bieten.
Corinna Endlich
Die gebürtige Bremerhavenerin Corinna Endlich lebt seit Ende 2014 im Münsterland. Die Katzenfreundin hat aufgrund ihrer beruflichen Stationen zahlreiche (Bundes-)Länder und Kulturhäuser kennengelernt. Als Archäologin begeistert sie sich gar nicht so sehr für ‚tote Dinge' und Gegenstände; vor allem faszinieren sie die Gesellschaft an sich und die Vielschichtigkeit von Kunst und Kultur. Da sie nun mal ein Nordlicht ist und bleibt – das Moin zu jeder Tageszeit gehört dazu –, genießt sie Ausflüge an die Niederländische See; das ist ja fast vor der Haustür.

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