Der Fußabdruck der Kultur

von Flemming N. Feß

Kultur und Leben   Museum und Forschen

Kürzlich habe ich auf Deutschlandfunk einen Beitrag zu der Frage des ökologischen Fußabdrucks von Medien gehört. Viele hätten, so der Beitrag, gar nicht auf dem Schirm, dass auch das Senden eines Radiobeitrags oder einer Fernsehsendung, das Verlegen einer Zeitung und auch das Betreiben eines Online-Blogs einen solchen Fußabdruck hinterlasse. Dieses Nicht-Bewusstsein leuchtet mir auch ein wenig ein, schließlich agieren Medien ja in erster Linie mit immateriellen Gütern, nämlich Informationen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Wie sieht das denn in meinem Betätigungsfeld aus, in der Kultur? Erst vor einigen Monaten habe ich Frank Schätzings Was, wenn wir einfach die Welt retten würden gelesen. Sehr eindrücklich beschreibt der gefeierte Thriller-Autor darin den Klimawandel und was wir dagegen noch tun können – als Menschheit, als Gesellschaft, aber auch jeder einzelne von uns. Zugegeben, wer sich schon mal ein wenig mit dem menschengemachten Klimawandel auseinandergesetzt hat, wird wahrscheinlich nichts grundsätzlich Neues erfahren. Spannend, interessant und augenöffnend, gut geschrieben und unterhaltsam ist es trotzdem und ich kann das Buch nur wärmstens empfehlen. 

An einer Stelle beschreibt Schätzing, wie auch das Senden und Empfangen von E-Mails Emissionen hervorruft, indem etwa Server gekühlt und Strom für Rechenleistung erzeugt werden muss. Natürlich macht so eine Mail den globalen Kohl nicht fett, aber man überlege nur einmal, wie viele Mails und Newsletter und Spam-Mails wohl weltweit jeden Tag verschickt werden. Natürlich macht es gegen den Kohlestrom, den Autoverkehr, die Fleischproduktion und diverse weitere Branchen nur eine marginale Rolle im großen Spiel aus, aber, wie es so schön heißt ‚Kleinvieh macht auch Mist‘. 

Wie steht es also um die Kultur? Ein Blick ins Internet verrät mir, dass ich nicht der Erste bin, dem dieser Gedanke kommt. Schon seit 2010 veranstaltet die Neue Deutsche Kongress GmbH jedes Jahr eine Veranstaltungsreihe „Das grüne Museum“. Das Kultur Management Network Magazin hat dem Thema im Februar 2021 sogar eine ganze Ausgabe spendiert. Schon im Editorial wird jedoch angemerkt, dass dieses Thema bisher nur wenig Beachtung gefunden habe, aber dass auch die Kulturszene umdenken müsse, wenn die Klimaziele erreicht und die globale Katastrophe noch verhindert werden wolle. Was offensichtlich geschieht. Die Kulturstaatsministerin des Bundes hat gemeinsam mit dem Deutschen Museumsbund im Mai 2021 eine Initiative für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Museen gegründet, die konkrete Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit in Museen liefern soll. Ganz selbstkritisch muss ich feststellen: Das kann nicht schaden! Im Januar dieses Jahres veröffentlichte Deutschlandfunk einen Beitrag zu der Frage nach der Nachhaltigkeit von Museen. Vor allem die aufwändigen Gebäudeneubauten und architektonischen Anforderungen, aber auch der globale Leihverkehr großer Kunstwerke kamen dabei kritisch zur Sprache. Wenn ich meine eigene Museumserfahrung bedenke, muss ich aber ergänzen, nicht nur klimatisierte Vitrinen und Magazinräume sind stromintensiv. Hier kann man durchaus noch von einem Interessenkonflikt zwischen konservatorischem Auftrag bzw. Kulturgutschutz versus Klimaschutz argumentieren und eine Abwägung treffen. Einerseits hilft uns die bestens konservierte Kultur wenig, wenn die Natur um uns herum den Lebensraum für uns unbewohnbar macht (Wenn der Meeresspiegel tatsächlich wie prognostiziert steigt, werden 2100 Teile des Westmünsterlandes in der Nordsee liegen). Andererseits wollen wir nach überstandener Klimakrise natürlich auch nicht als kulturlose Barbaren dastehen.

Bei anderen Elementen – gerade in der Ausstellungsgestaltung – ist aber ein kritischer Blick und auch ein entsprechendes Handeln dringend angeraten. Wie bei allen Medien arbeiten auch Ausstellungen viel mit Kulissen und diese sind oftmals für kurze Laufzeiten produzierte Wegwerfware, da sie auf die Wirkung einer einzelnen Wechselausstellung passgenau hergestellt und anschließend nicht mehr zu gebrauchen sind. Viel Müll ist immer auch ein großer ökologischer Fußabdruck.

Kulissenbau führt uns natürlich auch direkt zu Theater, Film und Fernsehen, wo dieses Argument noch einmal umso stärker und in viel größerem Maßstab greift. Und über die Bühne wiederum zum Veranstaltungssektor. Ein großes Konzert kann in Bezug auf Logistik, Stromverbrauch für Bühnenshow und auch in Sachen Müllproduktion einiges aufweisen!

Diese Gedankenspirale kreist noch weiter. Deutlich wird mir jedenfalls: Auch in der Kultur muss ein Umdenken stattfinden und sich etwas verändern. Denn auch wenn das sicher nicht der Kern des Problems ist, trägt auch die Kulturszene zum Klimawandel bei. Wenn schon eine E-Mail einen Impact hat, wie viel größer macht dann ein Kinobesuch oder eine Konzertkarte meinen persönlichen Fußabdruck? Da ein Verzicht in Sachen Kultur definitiv keine Option und auch der falsche Weg wäre, muss hier umso mehr das Bewusstsein sowohl auf der Seite der Konsumierenden bzw. Rezipierenden als auch auf der Seite der Künstler:innen, Kulturschaffenden und Kulturinstitutionen geweckt werden. Gerade diese, und hier muss und darf ich „wir“ sagen, haben hier eine Verantwortung. Stellen wir uns ihr!

Flemming N. Feß

Flemming N. Feß ist auf seinem Lebensweg schon weit in Deutschland herumgekommen. Im kult Westmünsterland ist er als Kurator für Sonderausstellungen zuständig. Den gebürtigen Schleswig-Holsteiner begeistert alles, was eine spannende Geschichte erzählt. Seine Freizeit verbringt er bevorzugt im Kino – oder mit einem guten Buch. Wenn er sich aber nicht gerade in ferne Welten entführen lässt, erkundet der Medienwissenschaftler und Historiker gerne in guter Gesellschaft unterschiedlichste Craftbeer-Stile. Als Liebhaber von Puppentrick ist er zudem die Hand und Stimme hinter der Sockenpuppe Rock McSock.