Libori light

von Martina Volmer

Kultur und Leben

Jedes Jahr Ende Juli werde ich kribbelig. Warum? Es ist Libori in Paderborn! Jeder Ort hat sein Volksfest, sei es das Schützenfest oder eine Kirmes wie z. B. die Vredener Kirmes. Als gebürtige Paderbornerin bin ich mit dem Liborifest aufgewachsen. Libori ist das Ereignis im Jahreslauf Paderborns. Manche nennen diese neun Tage Ende Juli auch die „Fünfte Jahreszeit“ der Stadt. Libori gehört für echte Paderborner:innen einfach dazu. Die Menschen aus der Umgebung strömen in die Stadt um den Krammarkt, den sogenannten „Pottmarkt“, die Kirmes und allerlei kulturelle Veranstaltungen zu besuchen und zu shoppen. Ehemalige Paderborner:innen fahren zu Libori auch nach Paderborn, um alte Freunde und Schulkameraden zu treffen.

Doch dann kam im Jahr 2020 Corona und das Liborifest musste abgesagt werden. Für Paderborner:innen ein unglaubliches Ereignis, denn selbst mitten in der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs fand Libori im Schatten der Domruine statt.

In diesem Jahr wurde nun „Libori light“ veranstaltet. Libori noch einmal ausfallen zu lassen wäre keine Option gewesen, denn 2021 ist ist ein Jubiläumsjahr! Schon im Jahre 1521 fand der erste Markt, damals noch „Magdalenenmarkt“ genannt, statt. Libori ist somit eins der ältesten und größten Volksfeste des Landes. Der Ursprung des Festes liegt in der Überführung der Reliquien des heiligen Liborius von Le Mans in Frankreich nach Paderborn im Jahr 836. Im 30-jährigen Krieg, im Jahr 1622, wurde der goldene Reliquienschrein von Herzog Christian von Braunschweig geraubt. Die Gebeine des Liborius mussten 1627 zurückgekauft und in einem neuen kostbaren Schrein im Hochaltar des Domes beigesetzt werden. Jedes Jahr beginnt am Wochenende nach dem 23. Juli, dem Todestag des Heiligen, das Liborifest. Die Reliquien werden aus der Gruft in der Domkrypta erhoben und im goldenen Schrein für drei Tage im Dom ausgestellt. Es handelt sich bei Libori also um ein kirchliches Fest, zu dem zahlreiche kirchliche Würdenträger, Geistliche und Ordensleute aus vielen Ländern der Erde nach Paderborn kommen. Auch dies macht den Reiz des Festes aus. Man kann Menschen aus aller Welt treffen und sieht zudem Geistliche und Ordensleute auf dem Pottmarkt des Liborifestes. Dies ist der Teil von Libori, den ich am Interessantesten finde. Wie der Name Pottmarkt schon vermuten lässt, wurden auf diesem Markt früher vor allem Töpfe verkauft. Daneben gab es aber auch Gewürze, Korbwaren, Wundercremes, Haushaltsartikel und vieles mehr. Ich kann mich erinnern, wie ich als Kind sehnsüchtig darauf wartete, bis die ersten Liboristände rund um den Dom aufgebaut wurden. Was gab es in diesem Jahr wohl an neuen Dingen? War es dann endlich soweit, dass Libori eröffnet wurde, dann gab es für mich kein Halten mehr, ich musste gleich den Pottmarkt besuchen. Eine Vielzahl an großen Vasen, Töpfen, Körben wartete auf Käufer:innen. Wunderraspeln mit dem Zusatz „2000“ als Zeichen für den Fortschritt, waren –  glaubte man den Werbesprüchen der Händler – weitaus besser als die günstigen Varianten, die man im Geschäft kaufen konnte. Der Duft von Bratwurst, gebrannten Mandeln, vermischt mit dem Geruch von exotischen Gewürzen, dazu die Sprüche der Marktbeschicker, die ihre Wundermittel anpreisen, all das gehört auch heute zu Libori dazu.

Nach der coronabedingten Durststrecke nun also endlich wieder Libori! Natürlich fuhr ich nach Paderborn. Aber mein Eindruck ist: Es war wirklich nur ein Ersatz, eben Libori ‚light‘. Die Veranstaltungen fanden auf anderen Plätzen statt als sonst. Der Zugang zu den abgetrennten Bereichen war wegen Corona nur nach Erfassung der Personendaten möglich und mit Einlasskontrollen versehen. In der Warteschlange vor dem Eingang tauschte man mit wildfremden Personen Kindheitserinnerungen über Libori und Paderborn aus. Auf dem Gelände herrschte Maskenpflicht. Im Marktbereich angelangt sollte die vorgeschriebene Laufrichtung beachtet werden. Die Stände waren weit auseinander aufgebaut um die nötigen Abstände zwischen den Besucher:innen zu gewährleisten. Es gab weniger Anbieter als sonst. Doch es gab auch Lichtblicke: Die schon jahrzehntelang auf Libori vertretenen Stände waren wieder vor Ort. So konnte man seine Vorräte an Gewürzen usw. auffüllen (denn die kauft man ja jedes Jahr nur auf Libori!), musste aber wegen der am Stand limitierten Anzahl an Personen warten, bis man an die Reihe kam. (In anderen Jahren drängelten die Besucher:innen sich in Dreierreihen davor – man musste auch warten, aber das Gefühl war eben anders.) Trotzdem, das echte Liborigefühl kam bei mir in diesem Jahr leider nicht auf. Die Mischung der Anbieter von Krammarktbuden und Imbissständen fehlte. Für mich macht gerade dies Libori aus. Man schaut sich neue Wundermittel an, erschnuppert Bratwurstduft vermischt mit dem Geruch nach Hustenbonbons und Gewürzen, daneben steht ein Karussel und man sieht Ordensleute und Geistliche auf dem Krammarkt einkaufen. In diesem Jahr gab es auf dem Pottmarkt keine Imbissstände, denn diese waren nur im Kirmesbereich erlaubt. Dort gab es weniger Attraktionen als üblich. Alles war also ganz anders als sonst, hatte nicht die richtige Libori-Atmosphäre. Es ist zwar schön, dass es in diesem Jahr wenigstens ein kleines Ersatzlibori gab, aber ich hoffe doch sehr, dass im kommenden Jahr wieder ein normales Liborifest stattfinden kann. Dann wieder so richtig, mit dem dazu gehörenden echten Liboriflair.

Martina Volmer

Martina Volmer stammt aus Paderborn. Nach dem Studium der Geografie/Landschaftsökologie in Münster führte ihr Weg weiter westlich in den Kreis Borken mit seinen faszinierenden Moorlandschaften. Seit dem Jahr 2000 ist sie in Vreden, zunächst im Hamaland-Museum, jetzt im kult tätig. Hier digitalisiert sie die Museumssammlung. Wenn der Garten noch Zeit für andere Hobbies übriglässt, dann ist sie mit Vorliebe in der Natur unterwegs, wo sie Wanderungen unternimmt und fotografiert. Auf Reisen lernt sie gern andere Landschaften kennen. Auch Flohmärkte oder Gartenmessen werden mit Interesse durchstöbert. Allerdings verbringt sie ihre Freizeit auch gern zuhause mit einem guten Buch und einem leckeren Tee dazu. 

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