Von Holzprodukten und Verbrennermotoren
von Gregor GreveMuseum und Forschen

Es muss wohl schon an die 20 Jahre her sein, da erweckte während eines Urlaubs in den Vereinigten Staaten eine Ausstellung meine Neugier. Das Peterson Automotive Museum in Los Angeles (genauer auf dem Wilshire Boulevard Ecke Fairfax Avenue) bewarb eine Ausstellung mit dem klingenden Namen: „Cars and Guitars of Rock‘n Roll“. Schon der Name versprach viel, beinhaltet er doch gleich drei Buzz-words moderner Alltagskultur. Was kann (oder besser konnte um die Jahrtausendwende) anziehender sein als Rockstars, deren Automobile und Werkzeuge? Im Nachklang des Besuchs eben dieser Ausstellung stellte sich Jahre später die Frage: Wäre eine solche Ausstellung auch in Deutschland vorstellbar? Die spontane und innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde gefällte Antwort war: Nein.
Es geht bei diesem Gedankenspiel weniger um eine Ausstellung mit Exponaten deutscher Musikgrößen, obwohl hier Heinos schwarzes „Heinomobil“ (eine S-Klasse 350 BlueTec mit 259PS) sogar eines der interessanteren Exponate wäre, noch um die Bedeutung von ehrlicher Gitarrenmusik in der heutigen Zeit. Es geht vielmehr um die Akzeptanz deutscher Museumsbesucher:innen für eine Ausstellung mit diesem Schwerpunkt. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Gegenparten sind deutsche Museen traditionell qua Genese Orte der kulturellen Erbauung und keine ‚Ersatz-Eventtempel‘ mit hohem Unterhaltungswert. Ob diese historisch gewachsene Rolle gut oder schlecht ist, möchte ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Fakt ist jedoch, dass es zunehmend schwerer wird, Besucher:innen für Ausstellungen zu begeistern. Häufig wird dann doch in die Event-Trickkiste gegriffen und man befindet sich schneller als man denkt in „Cars and Guitars of Rock’n Roll“ – Gefilden. Gerade vor dem Hintergrund der allgegenwärtigen Debatte um globale Klimaerwärmung tauchte plötzlich diese Ausstellung wieder vor meinem geistigen Auge auf.
Lassen wir die Rockstars einmal außen vor, würde eine solche Ausstellung in absehbarer Zeit Dinge präsentieren, die tatsächlich historisch sind und die de facto nicht mehr hergestellt werden könnten und würden. Das Ende der Verbrennermotoren ist beschlossene Sache und bei einer genaueren Betrachtung wahrscheinlich auch die zurzeit einzig vernünftige Entscheidung. Von dieser Seite sind also keine neuen Exponate zu erwarten. (Bei aller Befürwortung von Elektro-Automobilen – sie können aber aus ästhetischen Gesichtspunkten wohl kaum mit Hot Rods, Muscle Cars oder Supersportwagen mithalten.)
Noch entscheidender sind aber die Musikinstrumente (gerade E-Gitarren), deren Produktion einer ungewissen Zukunft entgegensteuert. Eine E-Gitarre der 60er besteht aus tropischen Edelhölzern, deren Import in heutiger Zeit schlichtweg unmöglich wäre. Selbst bereits seit mehreren Jahrzehnten lagerndes Rio Palisander (ein meist dunkelbraunes Holz, das für die Herstellung von Griffbrettern genutzt wurde) muss mühsam zertifiziert werden. Ebenso verhält es sich mit dem Material für Korpusse und Hälse. Einige Hersteller verzichten schon ganz auf Holz und versuchen es mit Verbundstoffen, andere suchen in den letzten Winkeln der Erde nach Ersatzhölzern, die identische Klangeigenschaften aufweisen und dabei keinem Einfuhrverbot unterliegen – zum Teil sogar mit erstaunlichen Ergebnissen.
Nähern sich also die amerikanischen ‚Unterhaltungsthemen‘ und die erhabenen europäischen ‚Musentempel‘ ganz von allein einander an, indem das 20. Jahrhundert mit seinen Objekten nun selbst historisch wird? Ich sehe optimistisch in die Zukunft und erhoffe mir durchaus eine weitere Diversifizierung des Ausstellungsangebotes. Von klassischen Designs hin zu ähnlichen Ausstellungen, da manchmal zu einem perfekten Museumserlebnis eben doch mehr gehört als historische Hintergrundinfos und Exponate. Darauf lohnt es sich zu hoffen und hinzuarbeiten. Eventuell betrachte ich das Programm der Museen in Nah und Fern auch nur nicht ausgiebig genug (oder lohnende Angebote werden nicht intensiv genug beworben)? Vielleicht ist auch der Blick teilweise zu sehr eingeengt und Pop- und Hochkultur treffen sich häufiger als erwartet in so mancher Ausstellung hierzulande. Falls dies nicht der Fall sein sollte, bleibt wohl vorerst nur eine Reise nach Los Angeles …
Gregor Greve
Nach verschiedenen Stationen an deutschen Museen hat es den gebürtigen Kieler ins Münsterland verschlagen. Neben der Betrachtung und Analyse guter Filme ist das Filmemachen eine seiner Leidenschaften. So ist es nicht verwunderlich, dass der Anglist und Medienwissenschaftler der Mann hinter der Kamera des kult-YouTube-Stars Rock McSock ist. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit dem Sammeln (und Spielen) von E-Gitarren, der Unterstützung seines Heimatvereins Holstein Kiel und Konzertbesuchen verschiedenster Stilrichtungen.

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