
Wer kennt es nicht: Jedes Jahr pünktlich zwischen Weihnachten und Silvester kommen uns alle möglichen guten Vorsätze für das nächste Jahr in den Sinn. Nächstes Jahr – das ist da noch ein paar Tage hin. Entspannt sitzen wir im Urlaubsmodus auf der Couch und im gut gefüllten Bauch schunkelt der Weihnachtsbraten in seinem Rotweinpool. Da fällt es uns leicht, alle möglichen guten Vorsätze zu fassen. Ach ja – nächstes Jahr starten wir mit weniger Fleisch, weniger Alkohol, weniger Süßigkeiten und mit mehr Zeit für Freunde und Familie, mehr Kultur, mehr Einsatz fürs Klima oder mehr Sport und Bewegung. Kurz nach Silvester ist das neue Jahr dann plötzlich da und der Alltag hat uns wieder voll im Griff. Spätestens Ende Februar, sind die gefassten Vorsätze schon so oft gebrochen, dass nur noch eine schwache Erinnerung an sie bleibt. Gewohnheiten zu ändern ist ganz schön anstrengend und erfordert häufig einen mühsamen Kampf gegen den inneren Doppeltiermutanten. Vielleicht sind die üblichen guten Vorsätze einfach nicht aufregend genug – nichts übersehen wir lieber als „laaangweilige“ und anstrengende Dinge. Möglicherweise sollten die guten Vorsätze eine wirkliche Herausforderung darstellen, der wir uns kurzfristig oder nur einmalig stellen. Höchstwahrscheinlich könnte man gute Vorsätze einfacher angehen, wenn man sie als Familienprojekt oder im Freundeskreis umsetzt und sich nicht ganz allein der Herausforderung stellen muss. Noch besser wäre es, wenn man in kleinen Teams gegeneinander um die Erfüllung guter Vorsätze antritt. Den Teams bleibt ein Jahr Zeit und als neu geschaffenes Silvester-Ritual werden bei der nächsten Party alle Ergebnisse auf den Tisch gelegt und das Gewinnerteam gekürt. Statt einem Blick in die Zukunft mit Bleigießen oder Gummibärchenorakel, geht der Blick zurück auf die geleisteten Taten. Einen Versuch wäre es wert. Wem spontan die Ideen fehlen und damit es für 2022 keine Ausreden gibt, mache ich hier mal ein paar Vorschläge:
1. Die Herausforderung „Plogging“
November letzten Jahres stieß ich auf einen Zeitungsartikel über „ploggende“ Schüler: innen eines Berufskollegs im Kreisgebiet. Zunächst machte mich vor allem die Wortschöpfung neugierig. Ploggen hört sich irgendwie nach etwas an, was Truthühner oder Dodos tun, aber weit gefehlt. Der Begriff „Plogging“ setzt sich zusammen aus dem schwedischen Wort plocka upp (aufheben) und – natürlich – Jogging. Die Kombination aus einer Fitness-in-der-Natur-Sportart und wilden Müll sammeln, finde ich geradezu prädestiniert für die erste Wahl zum guten Vorsatz. Erfunden hat es, wie soll es anders sein, ein Landsmann von Greta Thunberg. Der Schwede Erik Ahlström begann, genervt vom herumliegenden Müll, bereits zwei Jahre vor Gretas Klimaprotest 2016 in Stockholm mit dem Ploggen und versuchte über eine Webseite weitere Freiwillige zu ermutigen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten schwappte über die Sozialen Medien doch noch ein Funke der Begeisterung über. Inzwischen gibt es diverse Plogging-Gruppen und Plogging-Aktionen auch in Deutschland und weltweit. Ausgestattet mit stabilen Handschuhen und Müllsack bietet diese Herausforderung ein intensives Ganzkörpertraining an der frischen Luft. Gegenüber dem einfachen Dauerlauf sind hier diverse „Extra-Workouts“ möglich – beim nach dem Müll bücken, strecken, angeln oder gekonnt in den Müllsack kicken. Mit derart guten Taten, dokumentiert in Bilderserien oder Videos, kann man auch in geselliger Runde eine gute Figur machen.
https://www.instagramm.com/erikahlstromsweden/
2. Die Herausforderung „Perfect Match“
Immer mal wieder tauchte bei mir im vergangenen Jahr in den Sozialen Medien eine Bilderserie über Menschen in Galerien auf, die in der Betrachtung von Gemälden mit ihnen zu verschmelzen schienen, sei es durch Farbe und Form der Kleidung, eine eigenwillige Frisur, eine passende Geste oder einfach vom ganzen Typ her. Dahinter steckte der österreichische Blogger und Fotograf Stefan Draschan. Seine Serie, betitelt mit „People Matching Artworks“, stellte er ab 2015 in seinem Blog vor. Auf Streifzügen durch europäische Kunstmuseen fing er mit der Kamera immer wieder magische Momente von solchen „Bild-Betrachter-Beziehungen“ ein.
Für diese Herausforderung gilt es nun, sein eigenes „Perfect Match“ zu finden. Dazu muss man nicht gleich ganz Europa bereisen. Die Kunstmuseen in der Region sind sicherlich ein guter Anfang. Für den passenden Schnappschuss sorgt idealerweise die Lieblingsbegleitung. Einerseits eine wunderbare Gelegenheit, mal wieder gemeinsam ins Museum zu gehen und andererseits, die vielleicht schon bekannten Bilder mit anderen Augen zu betrachten.
https://stefandraschan.com/
3. Die Herausforderung „Kärcher-Kunst“
Im Herbst letzten Jahres las ich einen Artikel über den Künstler Klaus Dauven. Er gilt als Pionier der "Reverse Graffiti", einer zur Street Art zählenden Kunstform. Im Gegensatz zu Sprayern arbeitet er nicht mit Farbe, sondern mit Wasser und Hochdruck. Er war gerade aus Frankreich zurück in seinem nordrhein-westfälischen Heimatort Kreuzau am Nordrand der Eifel. Sein bislang größtes Werk, „La Forêt“ („Der Wald“), war nach einigen Wochen und mit Hilfe eines mehrköpfigen Teams an einer Staumauer im französischen Jura entstanden. Dabei seilten sich der Künstler und einige Industriekletterer bestückt mit Hochdruckreinigern ab und entfernten nach festgelegten Messpunkten einen Teil der Ablagerungen aus Moos, Flechten und Pilzen. Die verbleibende „Patina“ ergab das vergängliche Kunstwerk einer dunklen Waldsilhouette.
Vielleicht nicht ganz so spektakulär – ohne Abseilen und nicht ganz so großformatig – aber sicherlich mit Vergnügungsbonus, könnten beim nächsten Frühjahrsputz auf ähnliche Weise die eigene Terrasse, Hauswand, Garage oder Gartenmauer bei einem „Kärcher-Kunst-Contest“ gestaltet werden. An dieser Stelle möchte ich gern erwähnen, dass ich auf die Ergebnisse sehr gespannt wäre…
Mit Blick auf meinen Arbeitsalltag hätte ich noch eine Idee: Man könnte zwei Teams aus kult-Kolleg:innen bilden und einen Wettstreit an einer kult-Wand starten, wobei wir auch das Berkelkraftwerk als Pendant zum französischen Jura-Stauwehr direkt vor der Tür hätten. Noch besser wäre es, gleich den Hochdruck-Künstler Dauven selbst einzuladen und dem kult-Team einen Kreativ-Workshop der besonderen Art zu ermöglichen. Wenn die „Patina“ an Mauern oder Hauswänden schnell genug „nachwachsen“ würde, wäre hier am Ende sogar eine alternative Form der Außenwerbung möglich?! Aber ich schweife ab – auf ins Vergnügen, ran an den Kärcher und viel Erfolg beim Ausprobieren!
http://www.klaus-dauven.de/
Nadine Schober
Nadine Schober nahm über das Haldern-Pop-Festival 2006 Fühlung mit der Region auf. Zwei Jahre später startete sie nach ihrem Studium in Hamburg ihr Volontariat im Bocholter Textilmuseum. Nach gut einem Jahrzehnt hat sie dieses Fleckchen Erde zu schätzen gelernt. Vor allem Grenzregionen wecken das Interesse der Ethnologin. Die gebürtige Mecklenburgerin wagt dabei stets einen Blick über den Tellerrand. Ob Kulinarisches, sprachliche Eigenheiten oder Ökolandbau – ihre Interessen sind breit gefächert. Poetry Slam, Street Art und Flohmärkte lassen ihr Herz höherschlagen. Im kult Westmünsterland arbeitet sie im Archivteam des historischen Archivs und im Kreisarchiv Borken.

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